"Briefe an den Horizont und andere Botschaften" La mer est ton miroir; tu contemples ton âme Dans le déroulement infini de sa lame, Et ton esprit n’est pas un gouffre moins amer. Aus: Charles Baudelaire, Fleurs du mal, L’Homme et la mer Die Gemälde Volker Altenhofs entstehen in Schleswig-Holstein, unweit von Eckernförde nur wenige Schritte von und acht Meter über der Ostsee in einem Haus, das mitten im Forst des Gutes Altenhof liegt. Es sind Leinwandbilder in selbst gefertigter Kaseintempera und anderer komplizierter klingender Farben mit verwandter Wirkung, aber auch kleine Arbeiten auf Hartfaser in unterschiedlichen Techniken wie etwa Ritzungen. Hat er früher die lichthaltigen, zart nuancierten Farbräume hinter glatten Bildoberflächen verborgen, die er durch wiederholtes Schleifen erreicht hat, nutzt er jetzt die chemischen Prozesse unterschiedlicher Farbträger untereinander und mit den Farbpigmenten. Vor den Augen hat Altenhof in seinem Atelier das Bild auf der Staffelei und im Rücken, hinter den Atelierfenstern die Ostsee. Doch vor dem inneren Auge ist nicht nur die Ostsee, es sind die Meere. Er hat sie gesehen. 1999 spielte ihm ein Zufall den Auftrag zu, ein Kreuzfahrtschiff mit seinen Arbeiten auszustatten. Außerdem bot sich die Gelegenheit, von Zeit zu Zeit an Bord auszustellen, für die Passagiere Workshops zu veranstalten und vor allem noch mehr von der Welt zu erkunden. Erzählt er, so erzählt er vom Formenreichtum auf den zweiten Blick und den vielen feinen Farbnuancen der stillen Landschaften, von der Dramatik fremdartiger Landschaften, die bloßliegen und vom Alter unseres Planeten erzählen: Neuseeland, Chile, Nord- und Südamerika, Kanada, Jemen, Südostasien, Australien. Es sind die Meere, aber auch die Wüsten – das östliche Atlasgebirge, der Jemen mit einer »polierten« Hochebene, tiefe Schluchten – Wadis. Diesen spannenden Strukturen, dieser Vielfalt der Schöpfung, spürt er im Bild nach. Aber bei Betrachtung der Natur verharren die Gedanken nicht bei den optischen Phänomenen, sondern es entspinnt sich zwischen Landschaft und Seele ein Austausch, eine Meditation, in der die Landschaft vor den Augen zu Sinnbildern des eigenen Lebens wird. Wenn dann das Farben- und Formengedächtnis ins Bild drängt, dann konkretisiert sich die Essenz, ein individueller Mythos, Fazit einer Meditation über Himmel, Wasser, Erde, Boot und Haus, Symbol der Geborgenheit, aber ebenso des gefürchteten Gefangenseins. Das Malen wie das Reisen können eine Reise zu sich selbst sein und wir – sich vertiefendes Betrachten des Bildes vorausgesetzt – können zu Mitreisenden werden. Altenhofs Palette folgt Phasen: Blau, Rot oder goldenes Ocker etwa, aber auch Grün, das für Altenhof Schulung differenzierten Wahrnehmens ist. Künstlerische Erfahrungen sammelt er nicht nur auf Reisen, sondern auch auf Ausflügen in andere Bereiche mit anderen Medien. Er hat Bühnenbilder zu den sehr unterschiedlichen »Undinen« von Albert Lortzing und E.T.A. Hoffmann, zu »Carmen« von Georges Bizet, zu »La Traviata« von Giuseppe Verdi entworfen, auch Projekte für Kunst am Bau verwirklicht. Er sucht diese Herausforderung, neue Medien zu erobern, genießt den kreativen Austausch mit anderen, genießt es, in Literatur und Musik einzutauchen, um zu der ihm gemäßen – authentischen – Auffassung zu gelangen und genießt die Steigerung der Kreativität, die dieser Austausch mit sich bringt. Altenhof ist glücklich, daß er in den 1990er Jahren noch Theodoros Stamos vor dessen Tod im Jahr 1997 auf Lefkada in Griechenland kennengelernt hat. Mit dem ehemaligen Mitglied der »Irrascibles«, der New Yorker Gruppe der Abstrakten Expressionisten der 1940er Jahre, fühlte er geistige und künstlerische Verwandtschaft. Mit ihm verband ihn nicht nur das gemeinsame Interesse an C. G. Jungs Werken, einer bevorzugten Lektüre der New Yorker Gruppe auf ihrem Weg zur Findung individueller Mythen, und die gemalten Farbräume von Seelenlandschaften, sondern mit ihm traf er einen Zeitzeugen, der einen geistigen Hintergrund in seiner Vielfalt zum Leben erwecken konnte, der schon zu Zeiten von Altenhofs Lehrer, dem Baumeister-Schüler Winfried Zimmermann, zu selbstverständlicher Theorie geronnen war. |